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Bergsee bei ÅsarumHeute durchqueren wir die Kornkammer Schwedens, Skåne, über die bereits Nils Holgerson auf dem Rücken einer Wildgans hinwegflog. Von Fliegen kann bei uns allerdings keine Rede sein, denn nachdem wir die alte Universitätsstadt Lund durchfahren haben, stellt sich uns bei Hörby ein Höhenzug in den Weg, der steile Anstiege mit sich bringt. Allerdings sehen wir hier auch die ersten typischen Holzhäuser: Rot mit "Ochsenblut" gestrichen und mit weißen Fenstern stehen sie in niedrigen, dunklen Wäldern, durch die von nun an die Straße geht bis wir wieder in die Nähe der Ostsee kommen. Nach 103 km beenden wir den Tag in Åhus, an der Küste, dicht bei der Großstadt Kristianstad.

Der Landsitz Trolle LjungbyKristianstad Län, das Land um Kristianstad herum zeigt sich von seiner besten Seite. Blicke auf das Meer, auf der Küste vorgelagerte Inselchen und so schöne alte Herrensitze, wie Trolle Ljungby, wechseln mit romantischen Szenen aus Wildbächen, Heidefeldern und immer wieder den typischen, dunklen Wäldern mit niedrigen, vom Wind durchrauschten Kiefern.

Inmitten einer solchen Landschaft, im Naturschutzgebiet Längasjön, etwas außerhalb von Åsarum, finden wir einen Campingplatz, auf dem wir nach ca. 70 km Rast machen und nach kurzem Spaziergang durch die Natur sogleich beschließen, hier auch den nächsten Tag zu verbringen.

Es ist einfach herrlich, ja fast schon kitschig schön. Auf großen Flächen der Heidelandschaft liegen riesige Steinbrocken, wie von Riesenhand verstreut. Wälder wechseln mit kristallklaren Seen, die von steilen Felsufern gesäumt sind und an deren Rändern einzelne Häuser zu sehen sind - wieder rot mit weißen Fenstern. Und vor allem: Wir sind fast allein. Schon auf dem Campingplatz ist es relativ leer. In der Landschaft hingegen begegnen wir überhaupt niemandem.

An der Südkuste SchwedensSo schön der vergangene Tag auch war, heute ist April angesagt: Regenzeug anziehen, wieder ausziehen, anziehen, ausziehen, usw. - und dann wird die Landstraße plötzlich zur Autobahn! Wir hatten bislang nie ein Problem darin gesehen, an der Hauptstraße entlang zu fahren, da sie so schwach befahren war, wie in Deutschland gerade mal Nebenstraßen. Doch nun das: Weiterfahrt für Radfahrer verboten. Also müssen wir Nebenstraßen suchen und Umwege fahren, was viel Kraft und Zeit kostet, denn das Straßennetz ist etwas anders strukturiert, als bei uns zu Hause. Nebenstraßen haben zum Teil keinen Belag, sondern sind einfache, mehr oder weniger glatt "gehobelte" Feldwege und die Beschilderung ist auch mehr für die Einheimischen gedacht. So erreichen wir am Abend nach etwa 70 km Karlskrona und bleiben dort für die Nacht.

Wir haben zum Kochen einen kleinen Benzinkocher dabei - einen Enders Baby - den wir mit etwas Spiritus vorheizen müssen, bevor er in der Lage ist, das Benzin rußfrei zu verbrennen. Spiritus haben wir in zwei kleinen Underberg-Fläschchen mitgenommen und nun ist bereits eine davon leer. Also ab in die nächste Drogerie und Spiritus gesucht: Es gibt keinen oder wir finden ihn nicht (unser Schwedisch ist nicht sehr ausgeprägt). Aber wir werden in die Apotheke geschickt. Dort angekommen, fragt man uns nach einem Rezept und alles Diskutieren ist nutzlos: Die Apothekerin will uns Spiritus nur verkaufen, wenn wir ihn vom Arzt für unseren Kocher verschrieben bekommen haben. Weil wir ob dieser skurilen Umstände völlig fassungslos sind, erklärt uns die freundliche Frau, daß in Schweden selbst Spiritus getrunken wird und daher sogar dieses vergällte Zeug unter die Rezeptpflicht fällt. Allerdings gibt sie uns den Tip, in der Drogerie nach "T-Röd" zu fragen. Das sei ein Spiritusersatz, den auch die härtesten Brocken nicht mehr als Getränk ansehen. So lernt man halt Land und Leute kennen...

Auf dem Weg nach Kalmar18. Juli 1975: Wir nähern uns beständig der Ostküste Schwedens. Die Sonne lacht, Gotland ist nur noch wenige Tagesfahrten entfernt! Kommen wir heute noch bis Öland, sind wir morgen bereits am Ziel. Aber wir haben kein Bargeld mehr, es ist Freitag nachmittag und ob man uns für die Überfahrt von Byxelkrok nach Klintehamn einen Scheck abnehmen wird, wissen wir nicht.

An der KalmarsundbrückeSeit heute morgen haben wir keinen Ort mehr durchfahren, in dem eine Bank gewesen wäre und es ist bereits 17.30 Uhr, als wir in Kalmar am Hauptpostamt ankommen. Dort allerdings bekommen wir kein Bargeld und das hilfsbereite Herumtelefonieren der Postbesatzung, ob denn wohl um diese Zeit noch eine Bank geöffnet hat, bleibt auch erfolglos. Aber plötzlich weiß ein freundlicher Postkunde Rat und Hilfe: Er fährt einen von uns zum Fremdenverkehrsamt, wo unser Reiseportemonnaie mit schwedischen Kronen aufgefüllt wird und bringt ihn dann zurück zur Post.

Und so können wir beruhigt über die Kalmarsund-Brücke nach Öland fahren. Auch diese Brücke ist durchaus sehens- und befahrenswert, trotzdem sie aus Beton ist und weder spektakuläre Stützen noch Bögen aufweist. Es ist einfach toll, auf dem Scheitelpunkt hoch über dem Sund zu stehen und die großen Schiffe, ebenso wie die winzigen Segler unter einem hindurchfahren zu sehen. Gleich hinter der Brücke, in Saxnäs, bleiben wir nach 106 km für die Nacht.